Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

dieser Tage wurde ich an den Ursprung bzw. die Herkunft von zwei der berühmtesten Advents- und Kirchenlieder erinnert: Zum einen „O Heiland reiß die Himmel auf“, geschrieben vor 400 Jahren von dem Priester Friedrich von Spee. 1622 ließ der Mainzer Erzbischof und Kurfürst Johann Schweikard von Kronberg mehrere Hundert Frauen hinrichten, die er als Hexen verunglimpfte. Friedrich von Spee begleitete viele dieser Frauen zum Scheiterhaufen. Er konnte den Terror nicht stoppen; aber er konnte tun, was ein Einzelner tun kann: ihn anklagen.

Nur ein Jahr später (1623) schrieb der Pfarrer und Kirchenlieddichter Georg Weißel das Lied „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Zu dieser Zeit tobte der 30jährige Krieg. Eine Zeit der Hoffnungslosigkeit, des Aberglaubens. Gewalt, Krankheiten, Seuchen, Hunger bestimmten den Alltag der Menschen. Seit der Entstehung des Liedes reiht sich Krieg an Krieg. Immer wieder bestimmen Gewalt und Ungerechtigkeit den Alltag vieler Menschen.

Auch die jetzige Zeit hat etwas Apokalyptisches. Kriege fast überall: Afghanistan, Syrien, Jemen, in vielen afrikanischen Ländern und jetzt auch noch in der Ukraine. Im Iran kämpfen Frauen für ihre Rechte, werden deshalb geschlagen, verhaftet und vergewaltigt. Trotz Nahrungsmittelüberfluss erleben wir seit Jahrzehnten Hungersnöte. Immer wieder brechen Krankheiten und Seuchen aus, auch wenn wir heutzutage Medikamente und Impfungen haben, wie uns Corona vor Augen geführt hat. Wir sind besser gerüstet und müssen doch feststellen, dass wir uns oft hilflos vorkommen.

Der Krieg in der Ukraine – fast vor unserer Haustür – führt uns drastisch vor Augen, wie verwundbar wir sind. Ja sogar die Angst vor einem Atomkrieg geht um. Die Abhängigkeit von russischem Gas bedeutet für uns steigende Energiekosten, überhöhte Preise, weniger Komfort und Wärme. Auch die Sorge um unser Klima treibt uns um.

Dennoch:

Wir leben in unserem Land in einer demokratischen Welt, in der trotz aller Krisen sich Regierung und Parlamente bemühen, Lösungsansätze für die Probleme der Zeit zu finden. Das klappt nicht immer direkt und für jeden gleich. Wir sollten uns aber auch vor Augen führen, dass wir nicht von einem machthungrigen Despoten regiert werden, dem das Schicksal der Menschen, ja sogar denen des eigenen Landes egal zu sein scheint.

Der Philosoph Dr. Hans Steubing fasst das in den Worten zusammen:

Wenn du nie die Gefahr eines Krieges direkt um dich herum erlebt hast, die Einsamkeit einer Gefangenschaft, den Schmerz von Folterung oder das Elend von Hunger … geht es dir besser als 500 Millionen anderer Menschen in dieser Welt.

Deshalb ist es wichtig, aus unserem demokratischen Bewusstsein heraus und durch unser Verhalten deutlich zu kommunizieren, dass wir nicht bereit sind, uns von unserem gemeinsamen Weg abbringen zu lassen. Wir müssen zusammen stehen und Krisen bewältigen. Das gilt für Europa, für unser Land, für unser Dorf und unsere Familien. Zeigen wir weiterhin Solidarität unter einander und im Besonderen mit den Menschen in der Ukraine, die mit ihrem unbändigen Willen, großem Mut  um ihre Freiheit kämpfen. Das europäische Parlament hat dieses Volk, das sich unvorstellbaren Zerstörungen der Infrastruktur durch den russischen Aggressor gegenüber sieht, diese Woche mit dem renommierten Sacharowpreis ausgezeichnet. Hunderttausende sind ohne Strom und verharren in Eiseskälte in ihren zum Teil zerbombten Wohnungen. Nach Angaben von Unicef haben fast alle sieben Millionen Kinder in der Ukraine nicht durchgehend Strom, Heizung oder Wasser.

Viele Ukrainer, besonders Mütter mit ihren Kindern, mussten vor den Schrecken des Krieges fliehen, während die Männer und Väter ihr Land als Soldaten verteidigen. Auch in unserer Gemeinde haben einige Flüchtlinge Aufnahme gefunden. Spontan haben sich Bürgerinnen und Bürger, Nachbarn und Freunde gefunden, die sich in einer Privatinitiative dem Schicksal dieser Menschen angenommen und ihnen Hilfestellungen beim Einstieg in ein Leben in einem für sie fremden Land gegeben haben. Die Kolpingfamilie Nievern-Fachbach-Miellen unterstützt diese Initiativen und koordiniert über einen eigenen finanziellen Fonds notwendige Hilfen. Ihr und allen, die sich im Rahmen der „Ukraine-Hilfe“ persönlich auch an anderen Stellen engagieren gilt unser Dank.

Danken möchte ich am Ende eines für viele nicht einfachen Jahres  aber auch all denjenigen, die sich für das gesellschaftliche Leben in unserer Gemeinde einsetzen und stark machen. Den Vereinen und Organisationen, der Feuerwehr, den Mitgliedern des Gemeinderates, den vielen – oft ungenannten – Helferinnen und Helfern, ohne die der soziale Zusammenhalt in unserer Gemeinschaft nicht funktionieren würde. Darauf können wir in Nievern sehr stolz sein.

Ihnen allen wünsche ich für die bevorstehenden Weihnachtstage und den Jahreswechsel alles Gute. Nehmen Sie alle etwas mit von dieser Jahreszeit, die seit Jahrhunderten von der Hoffnung und dem christlichen Gedanken geprägt ist, dass sich viele Dinge zum Guten wenden im Geiste der  Weisheit: „Inneren Frieden zu haben ist ein großes Geschenk. Ihn vom alten ins neue Jahr im Herzen zu tragen, ein kleines Wunder“

Herzlichst

Ihr

Lutz Zaun
Ortsbürgermeister